Sehr interessantes Interview, u.a. zu Griechenland, den GIPSI Ländern und Pegida.
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Griechenland ist de facto bereits pleiteHerr Lucke, wird Griechenland aus dem Euro austreten?
Ich fürchte: nein. Ich fürchte, die Euro-Zone wird nachgeben gegenüber Syriza und Ministerpräsident Alexis Tsipras. Vielleicht wird die Euro-Zone auf die Rückzahlung von Schulden für eine gewisse Zeit verzichten, für fünf Jahre oder für zehn Jahre. Zinsen zahlt Griechenland sowieso schon nicht mehr. Mit einem solchen Zugeständnis könnte Herr Tsipras sagen, dass er einen Erfolg erzielt hat. Und die Euro-Zone würde behaupten, dass es ja kein endgültiger Verzicht auf Rückzahlung ist. Damit aber wird das Problem nur in die Zukunft verschoben. Und die Euro-Zone hätte keinen Hebel, um das Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro zu verlangen.
Tsipras sagt, er will im Euroraum bleiben, auch das Volk sieht das offenbar so, denn die Zustimmung für ihn bei der Wahl war enorm. Mit gleichem Recht kann man nun sagen: Auch die vorherige Regierung Samaras war vom Volk gewählt, und sie ist diese langfristigen Verträge (mit der Troika) nun einmal eingegangen. Wie kommen wir aus dem Konflikt heraus?
Es ist immer schwierig, wenn eine Regierung Zusagen macht, die viel länger wirken als ihre eigentliche demokratische Legitimation. Nun sind es keine völkerrechtlichen Verträge, sondern bestimmte Abmachungen mit der Troika, und Herr Tsipras sagt, er will diese Abmachungen nicht mehr honorieren. Dann steht es der Troika selbstverständlich frei, ihrerseits Konsequenzen zu ziehen und Griechenland keine weiteren Kredite zu geben. Ich bezweifele aber noch, dass es so weit kommen wird. Ich glaube, die Eurozone gibt nach.
Was wünschen Sie sich von Kanzlerin Angela Merkel und der Bundesregierung, wie soll sie mit der Situation umgehen?
Ich habe längst die Hoffnung darauf aufgegeben, dass Frau Merkel endlich einmal auf einem Standpunkt bleibt, den sie angenommen hat. Unsere Erfahrung in der Eurokrise war immer die, dass sie eine rote Linie gezogen hat, und die hat sie dann einen Monat später wieder überschritten. Und so fürchte ich, wird es jetzt auch sein. Zunächst sagt sie: Nein, keine weiteren Zugeständnisse. Aber meine Erwartung ist, dass genau diese Zugeständnisse kommen werden.
Stehen dann Italien, Spanien und andere Krisenländer Schlange, weil sie das Gleiche wollen?
Das ist eben der Punkt. Diese Gefahr besteht, wenn man einen Schuldenschnitt oder eine Tilgungsaussetzung gewährt, ohne gleichzeitig darauf zu bestehen, dass das Schuldnerland den Euro verlässt. Wenn Griechenland trotz Zahlungsunwilligkeit im Euro bleiben darf, werden andere Eurostaaten fragen, warum sie nicht auch einen Schuldenerlass kriegen? Italien hat inzwischen eine Schuldenquote, die so hoch ist wie die griechische 2010 zu Beginn der Krise. Italien könnte mit Fug und Recht sagen: Erlasst uns die Schulden lieber jetzt, ehe es noch so schlimm wird, wie es in Griechenland jetzt ist. Und da könnten schnell auch noch andere Länder vorstellig werden. Deshalb muss man ganz klar sagen: Wer seine Schulden nicht mehr bezahlen kann, und deshalb einen Schuldenerlass fordert, der muss dann auch aus dem Euro ausscheiden.
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Die Debatte um Flüchtlinge, Zuwanderung und Islamisierung hat trotzdem die AfD ein Stück weit in den Mittelpunkt gerückt und in der Wahrnehmung gestärkt. Auch Personen wie Herr Gauland und Frau Petry sind inzwischen bundesweit bekannt.
Es würde mich freuen, wenn es stimmt, dass die AfD gestärkt worden ist. Aber ich sehe Zuwanderung, Migration und Integration nur als eines von mehreren wichtigen Themen an, denen sich die AfD zuwendet. Der Euro ist ein anderes, die Stabilität der Sozialversicherungssysteme, mit denen wir uns jetzt auf dem Parteitag schwerpunktmäßig beschäftigen werden, ist ein drittes, sehr wichtiges Problem, das von der Regierung zurzeit leider völlig totgeschwiegen wird. Es wird nicht darauf hingewiesen, dass unsere Sozialversicherungssysteme langfristig nicht finanzierbar sind, wenn in Deutschland zu wenig Kinder geboren werden und wenn keine Zinsen mehr auf Ersparnisse erwirtschaftet werden können. Das ist ein zentrales Thema, dem ich gern in Zukunft mehr Aufmerksamkeit widmen möchte.
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War es falsch, dass sich Frau Petry mit den Pegida-Organisatoren getroffen hat?
Nein, überhaupt nicht. Ich bin fest davon überzeugt, dass es richtig war, mit Pegida zu reden. Ich denke, innerhalb einer demokratischen Gesellschaft sollte man eigentlich gegenüber allen Menschen, die auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, gesprächsbereit sein, auch Menschen, die andere Auffassungen vertreten. Wir sind ja dafür gescholten worden, dass Frau Petry das getan hat. Aber die, die uns gescholten haben, haben sich dann später ebenso mit Pegida getroffen oder wollen das tun. Denken Sie an Herrn Gabriel und Frau von der Leyen.
Wird es Pegida in einem Jahr noch geben?
Ich glaube eher nicht. Jedenfalls nicht in diesem bedeutenden Ausmaß, wie es jetzt der Fall war.
Finden Sie das schade?
Demonstrationen sind wichtig, um auf Probleme hinzuweisen, die die Politik vielleicht nicht richtig ernst nimmt. Aber es hat keinen Sinn, ständig darauf hinzuweisen. Das Signal von Pegida müsste jetzt angekommen sein in der Politik. Jetzt ist die Politik gefragt, Lösungen dort anzubieten, wo auf berechtigte Probleme hingewiesen worden ist. Die ganze Zeit zu demonstrieren ist keine Problemlösung.
http://www.noz.de/deutschland-welt/wirt ... its-pleite-> noz.de/deutschland-welt/wirtschaft/artikel/542910/griechenland-ist-de-facto-bereits-pleite