Mal sehen, wer am Ende zahlt und welche Gemeinden die neuen Großmasten aufstellen.
=== Energiewende: Vom Winde verweht
So langsam wird sie konkret. Gemeint ist die sogenannte Energiewende. Am Mittwoch haben die Netzbetreiber Tennet und Transnet BW den Korridor für die neue 800 Kilometer lange Haupttrasse SuedLink von Schleswig-Holstein bis nach Bayern vorgestellt. Diese soll bis 2022 realisiert werden.
... Die ersten Proteste gegen dieses Mammutprojekt, das mit Masthöhen von 60 bis 70 Metern die Landschaft durchpflügt, formieren sich bereits. Ziel ist es, Strom von den Offshore-Windparks in der Nordsee außerhalb der Zwölf-Seemeilen-Zone in den Süden Deutschlands zu transportieren.
Dazu befinden sich derzeit Anlagen mit einer Gesamtleistung von 2.400 Megawatt (MW) im Bau, nochmal 9.000 MW sind genehmigt und weitere 30.000 MW sollen dazukommen. Ein gigantisches Vorhaben, das seinen Preis hat. Die Kosten für den Ausbau des Leitungsnetzes sollen mindestens zehn Milliarden Euro betragen. Bislang konnte kein Offshore-Windpark in Betrieb gehen. Selbst der fertiggestellte Windpark Riffgat bei Borkum schwächelt. Als er im letzten Sommer eröffnet wurde, konnte er noch nicht an das Netz angeschlossen werden, deshalb wurden monatlich rund 22.000 Liter Diesel verfeuert, damit die Anlage bewegt werden konnte, um nicht einzurosten. Ob der Windpark nun bald ans Netz gehen kann, ist noch offen. Der Betreiber eines anderen Windparks, Bard 1 bei Sylt mit einem Investitionsvolumen von rund drei Milliarden Euro hat Ende letzten Jahres das Licht ausgemacht. Auch die Schlagzeilen um die Schwierigkeiten beim Windkraftanlagenbauer Prokon zeigen, dass viele Blütenträume der Energiewende buchstäblich vom Winde verweht wurden.
... Die Eingriffe in die Energiewirtschaft werden zur Deindustrialisierung in energieintensiven Branchen und zur Zuteilung von Stromverbrauchszeiten führen. Wir werden die wohlstandsfeindlichen Folgen der zentral verwalteten Energiewirtschaft in Deutschland beobachten können. Denn die ökonomischen Gesetze sind von der Politik unbezwingbar.“ Das ist heute immer noch richtig!
Daher gilt auch hier: lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Der Ausstieg aus der Kernkraft ist wohl mangels Akzeptanz in Deutschland endgültig. Um die Lücken in Süddeutschland zu schließen, müsste deshalb das eine oder andere Gaskraftwerk gebaut werden. Das wäre es dann aber auch schon. Alles andere ist Unsinn.
von Frank Schäffler
http://ef-magazin.de/2014/02/07/4941-en ... de-verweht
-> ef-magazin.de/2014/02/07/4941-energiewende-vom-winde-verweht
=== Gegner der Stromtrasse haben keine Chance
Wie eine Filmszene lief diese Woche die Enteignung eines Grundstücks in Berlin ab. Ein Trupp von Behördenvertretern entert das Grundstück an der Neuköllner Straße, das für die Stadtautobahn A 100 gebraucht wird. Der Besitzer, ein kleiner Gewerbetreibender, steht mit Frau und drei Kindern vor den Männern und weiß nicht, wie ihm geschieht. Er erwarte umgehend die Übergabe des Grundstücks, sagt der Behördenleiter ... Meist sieht die Wirklichkeit anders aus – unspektakulärer. Enteignungen sind in Deutschland das letzte Mittel, wenn Allgemeinwohl und Eigennutz nicht anders auf einen Nenner zu bringen sind. Ganze 6,8 Prozent aller Verfahren vor deutschen Verwaltungsgerichten befassen sich überhaupt mit Fragen der Raumordnung, nur ein Bruchteil davon mit Enteignungen. Sie sind die große Ausnahme.
Doch das könnte sich ändern – ein Boom von Verfahren zeichnet sich ab. Szenen wie an der Neuköllner Straße könnte es künftig häufig geben. Denn in den nächsten Jahren werden die Betreiber von Hochspannungsnetzen 2800 Kilometer neue Stromautobahnen durch Deutschland ziehen und weitere 2900 Kilometer aufrüsten.
... In Nordhessen wehren sich Bürgerinitiativen gegen die "Hauptschlagader der Energiewende", in der Oberpfalz riecht es nach Revolution. Durch das Territorium der 8000-Seelen-Gemeinde Berg bei Neumarkt will die Netzfirma Amprion eine weitere Stromautobahn, die Süd-Ost-Trasse, ziehen.
"Empörung ist zu harmlos, das ist schon an der Grenze zur Militanz", beschreibt Helmut Himmler, der Bürgermeister von Berg, die Atmosphäre. "Je näher die Menschen an der Trasse wohnen, umso stärker sind Wut und Zorn."
Dass die weitflächig übers Land verteilte neue Wutbürger-Generation ihre Grundstücke immer freiwillig herausrückt, steht nicht zu erwarten – zumal es vielen nicht ums Geld geht, sondern ums Prinzip. "Wir sehen hier oft die klassische Nimby-Position", beobachtet Durinke. "Nimby", das heißt "Not in my backyard": Nicht in meinem Hinterhof. Energiewende ja, die Anlagen dafür aber bitte anderswo.
Doch Totalverweigerer werden es schwer haben. Das Grundgesetz garantiert das Eigentum, verpflichtet es aber auch zum Dienst am Allgemeinwohl. Enteignungen sind damit möglich, wenn auch nur als Akt staatlicher Hoheitsausübung und gegen Entschädigung.
Eine Behörde – welche genau, legt Landesrecht fest – führt die Verfahren durch. Die Anträge kommen, so sieht es der Verfahrensweg vor, von den Netzbetreibern. Die sind zum Netzausbau verpflichtet – das legt der Bundesbedarfsplan fest, den Bundestag und Bundesrat im Sommer 2013 gemeinsam beschlossen haben.
... Zudem blieben die genutzten Grundstücke im Besitz des bisherigen Eigentümers, auch wenn Leitungen darüber gezogen oder ein Mast darauf gebaut werde.
Nur entsprechende Verpflichtungen – im Immobilienjargon "Grunddienstbarkeiten" – nehme man in Anspruch. "Wir enteignen nicht", sagt eine Tennet-Sprecherin.
Juristen würden das kaum so stehen lassen. Nach dem Energiewirtschaftsgesetz (Paragraph 45) umfassen Enteignungen sowohl die Entziehung von Grundeigentum (also den regelrechten Besitzwechsel) als auch dessen Beschränkung (also Grunddienstbarkeiten à la Tennet).
"Der Grundstückeigentümer muss die Überspannung dulden. Ihm wird also ein Teil der Eigentumsbefugnis entzogen", erläutert Durinkes Kanzleikollege Siegfried de Witt in einem Fachaufsatz. Und normalerweise werde übrigens der Teil des Grundstücks, auf dem der Mast zu stehen komme, voll enteignet.
Zunächst erscheint es verblüffend, dass der Staat Enteignungen zugunsten von Privatfirmen durchzieht – nichts anderes sind die Netzbetreiber ja. Doch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei dies zulässig, so de Witt, denn: "Anlagen der Energieversorgung dienen unmittelbar dem Wohl der Allgemeinheit."
Das Energiewirtschaftsgesetz geht einen Schritt weiter. Wenn "der sofortige Beginn von Bauarbeiten" für überörtliche Energieleitungen geboten ist, kann die Enteignungsbehörde die Leitungsbauer auf Antrag "vorzeitig in den Besitz einweisen". Will sagen: Bauarbeiten können beginnen, wenn die Enteignung noch nicht vollzogen ist.
Ob strittig oder nicht – eine Entschädigung muss in jedem Fall fließen. Bislang, versichern Juristen und Netzbetreiber, gelinge eine Einigung dazu fast immer einvernehmlich. Für die Betreiber von Hochspannungsnetzen ist es besonders wichtig, dass sie einen Konsens mit den Bauern finden – und um die geht es meist. Rund 90 Prozent der Flächen, die vom Leitungsbau betroffen sind, werden landwirtschaftlich genutzt.
... Die Höhe von Entschädigungen für privat genutzte Wohnhäuser richtet sich nach dem Verkehrswert, also dem in der Regel von einem Gutachter ermittelten Betrag, der bei einem regulären Verkauf am Markt zu erzielen wäre. Entsprechend können die Summen zwischen fünfstelligen Beträgen für abgewohnte Katen in der niederdeutschen Tiefebene und vielleicht einer halben Million Euro für komfortable Neubauten in bester bayerischer Lage schwanken.
Organisationen wie RWE Power, der Betreiber der Braunkohlegruben im Rheinland, machen Immobilienbesitzern Einigungen zudem mit Extras schmackhaft, wie Zuschüsse für Umzüge und neue Gärten.
Eine "Umsiedlerfibel" der Kölner Bezirksregierung listet einen ganzen Katalog auf. Anders als bei den Tagebauen, für die ganze Dörfer weggebaggert werden, dürfte es für die Stromautobahnen aber kaum Abrisse von Häusern geben. Wo immer möglich, werden die Leitungen Abstand zu Wohngebieten halten oder – in Ballungsgebieten – unter die Erde verlegt. Das ist viermal so teuer wie Freileitungen. Die Kosten tragen die Stromverbraucher.
... Die Netzkonzerne ärgert, dass Bayern ein Moratorium für neue Stromleitungen verhängt hat – obwohl der Bundesbedarfsplan mit den Stimmen der Regierungspartei CSU beschlossen wurde.
Bürgermeister Himmler, ein SPD-Mann, nutzt die Gelegenheit: "Die Regierung Seehofer hat die Windkraft in Bayern abgewürgt, aber die Trasse will sie auch nicht. Woher soll dann der Strom kommen?", fragt sich nicht nur Himmler.
Jedenfalls nicht aus dem Kernkraftwerk Isar. Das wird planmäßig 2022 als eines der letzten abgeschaltet. Bliebe der Windstromimport aus dem hohen Norden. Acht Jahre sind keine lange Zeit für den Bau von Stromautobahnen.
http://www.welt.de/wirtschaft/article12 ... hance.html
-> welt.de/wirtschaft/article124675495/Gegner-der-Stromtrasse-haben-keine-Chance.html
=== Kommentar - Japans Energiewende
... In Tokio ist am Sonntag der populäre frühere Regierungschef Koizumi gescheitert. Seine „Atomkraft, nein danke“-Kampagne hat bei der Wahl zum Governeur nicht gezogen. Gewonnen haben die Befürworter der Rückkehr zur Atomwirtschaft. Natürlich fürchten auch Japaner die radioaktive Strahlung. Sie wissen aus eigener schlimmer Erfahrung, dass man Politikern, Behörden und Energiekonzernen längst nicht alles glauben darf. Vor allem im Umgang mit Lebensmitteln sind die ernährungsbewussten Japaner skeptischer als die Deutschen.
Aber Japan ist zugleich pragmatisch. Die größte Sorge der Japaner ist die Frage, wie die Wirtschaft wieder zum Laufen gebracht werden kann. Nach zwei Jahrzehnten der Stagnation sehnt sich das Land nach Wachstum, damit die Einkommen endlich wieder steigen. Hinzu kommt eine Frage, die auch Deutschland zunehmend beschäftigen wird. Wie kann eine alternde Gesellschaft soziale Sicherheit bieten, ohne die schrumpfende Zahl der Jungen zu überfordern? Energiepreise spielen bei den Antworten auf beide Fragen eine entscheidende Rolle.
Seit Fukushima stehen die zahlreichen japanischen Atomkraftwerke still. Die Lücke in der Energieversorgung wurde mit der Einfuhr von Gas geschlossen. Allerdings ist das Gas in Japan doppelt so teuer wie in Europa und fünfmal so teuer wie in Nordamerika, wo Gas durch das ökologisch strittige Fracking besonders günstig ist.
Im globalen Wettbewerb kann die japanische Industrie diesen großen Kostennachteil auf Dauer nicht aushalten. Auf Drängen der Wirtschaft kündigte Japans Regierung kurz vor der Wahl in Tokio sogar den Bau neuer Atomreaktoren an. Was heißt das für Deutschland? Man muss sich die Energiewende leisten können.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/k ... 93397.html
-> faz.net/aktuell/wirtschaft/kommentar-japans-energiewende-12793397.html